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Auf Deinem Arm sitzt zwischen Ästen eine Katze, CAT, Katriina the KAT, Gatto heißt sie in Deiner schönen Muttersprache. Das Tattoo hast Du dir in Berlin stechen lassen. Weil ich nicht mehr bei Dir wohne, weiß ich nicht, welches Studio Du ausgewählt hast. Doch Du hast von einem Abend erzählt, an dem Du in einem glitzernden Club gewesen bist.

Und dort hast du zwei Tätowierer kennengelernt. Vielleicht sind sie Spanier, vielleicht Italiener. Die Männer stechen jedenfalls in einem Studio an der Kastanienallee. Nur einen Fußmarsch von Deinem Zuhause entfernt bearbeiten sie die glückshungrigen Visionäre, die angehenden Galeristen, Schauspieler und Lebensjünger mit ihren Nadeln. Du hast mir erzählt, einer von beiden habe Dir gefallen, er habe ein markantes Gesicht gehabt, ein Rockerjunge, dessen Körper mit gestochen scharfen Bildern übersät ist. Mit einem von beiden hast Du dir Nachrichten hin und hergeschickt, darüber wie es am Tag geht und was ihr gerade so macht.

Du, Silvia und ich gehen auf eine Queer-Party in den Brunnen 70 in Wedding. Wir lassen uns zusammen mit der Gästetraube vom Aufzugbegleiter nach unten bringen. Im Kellergewölbe läuft Lady Gaga. In meiner Erinnerung haben sie den ganzen Abend lang nicht anderes gespielt. Um uns herum tanzen schöne Jungs, die nur Augen für sich haben. Wir tanzen im Lichtermeer mit und bewundern muskulöse Männer, die sich überlebensgroß an den Kellerwänden lieben.

Es gab viele Nachmittage mit einem Kater. An denen haben wir uns mit einer schweren kratzigen Katze im Nacken in der Küche getroffen. Ich habe Zwiebeln geschnitten und Du hast Nudelwasser aufgesetzt. Du hast passierte Tomaten in die Pfanne mit heißem Olivenöl gegeben. In Deine Pasta a la Papa gehören bloß Zwiebeln, Tomaten und Salz – und sie schmeckt himmlisch. Du hast die harte ungekochte Penne in einen tiefen Teller gefüllt. Einen für Dich und einen für mich abgemessen und die Nudeln ins kochende Wasser geworfen. Du hast gesagt, meine Mutter hat immer eine handvoll aus der Verpackung genommen, einmal, zweimal, dreimal – Ka-trii-na, drei Silben lang.

Das Leben schmeckt süß und bitter. Wir sitzen zwischen Kreuzberg und Tempelhof auf einer Schaukel: Du, Silvia und ich. Wir haben eine Flasche Weißwein bei einem Spätkauf Nähe Bergmannstraße gekauft. Für die Flasche haben wir uns entschieden, weil sie ein schönes Etikett hat und billig war. Es ist Sommer und weit nach Mitternacht. Wir sind vom vielen Wein und Reden betrunken. Wir sind mit nackten Füßen über den feuchten Sand gelaufen. Nun sitzen wir auf der Schaukel – Du, Silvia und ich – und reden uns in die Empörung hinein. Wir sitzen alle auf derselben Schaukel. Silvia weiß damals schon, dass sie Berlin verlassen muss. Keine von uns versteht, warum sie bloß Praktikumsplätze bekommt, obwohl sie fließend Italienisch und Englisch sprechen kann. Warum die Galerien ihr anbieten, viele Stunden zu arbeiten, obwohl sie dafür keinen Cent sieht. Wofür haben wir eigentlich studiert, fragen wir uns. Das ist eine Sauerei, rufen wir den vielen Sternen am Himmel und den Seliggetrunkenen im Biergarten zu. Außer uns hört uns niemand zu. Im Zwischenraum zwischen gestern und morgen würden wir aus dem Stegreif eine Revolution anzetteln.

Liebe Katriina, wärst Du nie ins Berghain gegangen, würdest Du Berlin nicht verlassen. Bei einem Espresso in unserer Küche hast Du gesagt, wenn ich einmal drinnen war, kann ich auch gehen. Wir waren wieder zu dritt, Du, Silvia und ich. In meiner Erinnerung haben wir gegen die Langeweile und die Kälte winzige Wodka-Flaschen geext. Am Himmel wurde es schon langsam wieder hell. Ein trister Herbsttag war kurz davor, die geliebte Nacht zu verschrecken. Wir haben in einer zitternden langen Schlange gestanden. Als wir fast an der Tür waren, habe ich zu Euch gesagt, zieht Eure Jacken und Schals aus. Und so standen wir noch weitere 20 Minuten frierend und ängstlich herum und hassten den Moment für das Gefühl. Dann nickte er uns mit einer minimalen Kopfbewegung ab – wie er an diesem Abend und an hundert weiteren bereits Tausende vor uns abgenickt hatte. Und wir waren drinnen. Erst der Endorphinschub, dann Gezappel zu nervtötendem Drum ́n ́Bass.

Bei facebook hast Du mir Bilder von einem Katzenkind gezeigt, das Deine Eltern zu Hause aufgenommen haben. Du sagtest, die alte Katze müsse sich erst an die junge gewöhnen. Dann – glaube ich – warst du einen Tag lang traurig, weil deine Eltern das Kätzchen weggeben mussten. Die alte Dame veranstaltete seinetwegen ein riesiges Drama. Vielleicht täusche ich mich, aber in meiner Erinnerung gibt es ein Happy End. Das Kätzchen hat bei den Nachbarn so lange geweint, bis Deine Eltern das verlorene Kind zurückgeholt haben. Du freust dich darüber, dass Du es bald auf den Händen halten und mit ihm spielen kannst – wenn Du nach Livorno zurückgekehrt bist. Auf bald Katriina my Cat – Ich werde Dich vermissen.

© Anna Fastabend, 2014